NETZWERK ARTIKEL 3

Verein für Menschenrechte und Gleichstellung Behinderter e.V.

Regelungsbereiche eines Gleichstellungsgesetzes für Behinderte

Ergänzungsvorschläge aus Sicht behinderter Frauen

Ein Beitrag an das Forum behinderter Juristinnen und Juristen für die Gestaltung eines Bundesgleichstellungsgesetzes

1.   Allgemeines

Es sollte eine Zielbestimmung des Gleichstellungsgesetzes vorgesehen werden. Als eines der Ziele des Gesetzes sollten der Abbau und die Verhinderung geschlechtsspezifischer Diskriminierung genannt werden.
Darüber hinaus sollte im ersten Teil ein Paragraf  "Förderung behinderter Frauen" eingefügt werden, in dem der Grundsatz einer aktiven Frauenförderung verankert wird und entsprechende Bestimmungen für die Förderpolitik, z. B. als Zielvorgabe für die Verwaltungen, festgelegt werden.

1.2.   Definition Diskriminierung / Diskriminierungsverbot

Aufgenommen werden sollte die Definition von mittelbarer Diskriminierung (siehe Gleichstellungsgesetze für Frauen in Berlin: § 2 Abs. 2, in Hessen: § 3 Abs. 3 und in Niedersachsen: § 3 Abs. 3) und deren Verbot.

Formulierungsvorschlag:
"Unzulässig sind auch mittelbare Diskriminierungen. Eine Regelung oder Maßnahme ist mittelbar diskriminierend, wenn sie bei geschlechtsneutraler Formulierung sich tatsächlich auf Frauen häufiger nachteilig oder seltener vorteilhaft auswirkt als auf Männer, dies nicht anders als mit ihrem Geschlecht oder ihrer Geschlechtsrolle begründet werden kann und nicht objektiv gerechtfertigt ist."
1.4.  Behindertenbeirat / Behindertenbeauftragte/r

Die Einfügung eines Paragrafen "Gremien" wäre sinnvoll.
Formulierungsvorschlag:
"Der Behindertenbeirat und alle Kommissionen, Arbeitsgruppen, Ausschüsse sowie vergleichbare Gremien, die zu relevanten Fragen der Behindertenpolitik sowie des Rehabilitations- und Schwerbehindertenrechts entscheiden und beraten, sind geschlechtsparitätisch zu besetzen."
In diesem Paragrafen müsste auch die maßgebliche Beteiligung behinderte Menschen in o. g. Gremien als ExpertInnen in eigener Sache, d. h. deren Stimmenmehrheit, festgelegt werden. Als eine der Aufgaben der/s Behindertenbeauftragten müsste die Verpflichtung festgelegt werden, sich für den Abbau geschlechtsspezifischer Benachteiligungen behinderter Frauen einzusetzen.
Formulierungsvorschlag:
"Die/Der Behindertenbeauftragte setzt sich bei der Wahrnehmung ihrer/seiner Aufgaben dafür ein, dass die unterschiedlichen Lebensbedingungen von behinderten Frauen und Männern berücksichtigt und geschlechtsspezifische Benachteiligungen beseitigt werden. Sie/Er arbeitet mit den Interessenvertretungen behinderter Frauen und Männer sowie mit den für die Gleichstellung von Frauen zuständigen Institutionen zusammen."
(siehe auch Berliner LGBG § 5 Abs. 2)

1.5.  Berichtspflicht der Bundesregierung über Entwicklung der Diskriminierungsverbote

Es sollte ein Paragraf  "Berichte" geben. Darin müsste u. a. festgelegt werden, dass die Aussagen aller Berichte der Bundesregierung über behinderte Menschen und alle Statistiken, in denen behinderte Menschen vorkommen, geschlechtsspezifisch zu treffen bzw. zu erheben sind. (siehe auch Berliner LGBG § 11)

3.   Öffentliches Recht

Das "Gesetz zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern" (2. GleiBG vom 24.6.94) müsste auf Änderungs- bzw. Ergänzungsbedarf bezüglich behinderter Frauen juristisch überprüft werden. Zum Beispiel sollten im Rahmen dieses Gesetzes nicht nur Frauen mit Kindern und/oder pflegebedürftigen Angehörigen ("Familienpflichten": 2. GleiBG Art. 1 § 3 Abs. 2; Änderung des Bundesbeamtengesetzes Art. 2 2.; Änderung des Beamtenrechtsrahmengesetzes Art. 3 2.) sondern auch behinderte Frauen berücksichtigt werden.

4.1.  Pflegerecht

Es sollte festgelegt werden, dass Pflege- und Assistenzleistungen auch Leistungen zur Kinderbetreuung, -erziehung und -pflege umfassen.

4.2.  Schwerbehindertenrecht

Es sollte eine quotierte Erfüllung der Beschäftigungspflicht festgeschrieben werden.

4.3.  Rehabilitationsrecht

Es sollte festgeschrieben werden:
· ein Rechtsanspruch auf Rehabilitation
· die Gewährung eines existenzsichernden Mindestübergangsgeldes unabhängig von vorheriger Erwerbstätigkeit
· die Durchführung von Teilzeitmaßnahmen
· eine Erweiterung des Berufsspektrums bei Erstausbildung und Umschulung
· die Finanzierung von Haushaltshilfen für behinderte Frauen und Männer mit Erziehungspflichten

Das Gleichstellungsgesetz sollte sprachlich so formuliert werden, dass durchgängig geschlechtsneutrale bzw. paarförmige Formulierungen verwendet werden (vergl. dazu das Berliner LGBG).


Andrea Schatz

Koordinatorin für behinderte Frauen im NETZWERK ARTIKEL 3 e.V.



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