NETZWERK ARTIKEL 3

Verein für Menschenrechte und Gleichstellung Behinderter e.V.

Stellungnahme zum Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Verhinderung von Diskriminierungen im Alltag

(Zivilrechtliches Antidiskriminierungsgesetz - ZAG)

(Stand: 10. Dezember 2001)

von Dr. Sigrid Arnade für das NETZWERK ARTIKEL 3 e.V.

Grundsätzlich begrüßen wir dieses Gesetzesvorhaben, das eine wichtige Ergänzung zum Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) des BMA darstellt. Da gewisse Zweifel bestehen, ob eine Installation noch in dieser Legislaturperiode gelingt, bitten wir die Justizministerin dringend, den vorgesehenen Zeitplan vorzulegen. (Mittlerweile ist klar, dass ein kein ZAG mehr in dieser Legislaturperiode geben wird, d.Red.).

Schließlich stellt der zivilrechtliche Diskriminierungsschutz für behinderte Menschen einen unverzichtbaren Bestandteil der Gleichstellung dar. Insbesondere Menschen mit so genannten geistigen und seelischen Behinderungen erhoffen sich davon eine rechtliche Handhabe gegen Diskriminierungen. Wenn das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird, stellt es gemeinsam mit dem BGG einen historischen Quantensprung in der Gleichstellung behinderter Menschen in der Bundesrepublik dar.

Der Diskussionsentwurf muss allerdings noch im Sinne behinderter Frauen und Männer nachgebessert werden. Insbesondere haben wir folgende Anmerkungen:

Benachteiligungsverbot
Uns ist nicht klar, wieso nur bei Berufsverbänden ein diskriminierungsfreier Beitritt geregelt ist, nicht aber bei anderen Vereinen, Verbänden und Parteien.


Begriffsbestimmungen
§ 319b, Abs. 1 ist folgendermaßen zu ergänzen (Ergänzungen gesperrt): «Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person aufgrund eines   oder mehrerer oder aufgrund des Zusammentreffens mehrerer   der in § 319a bezeichneten Merkmale ...»
So werden auch mehrfache Benachteiligungen genannt und berücksichtigt, die beispielsweise behinderte Frauen häufig erfahren, da sie als Frauen und Behinderte mehr Diskriminierungen erleben als nichtbehinderte Frauen oder behinderte Männer.

Außerdem ist ein neuer Absatz 3 aufzunehmen:   «Unmittelbar oder mittelbar aufgrund eines Merkmals iSd § 319a BGB benachteiligt werden können Personen, die
1. das Merkmal in eigener Person erfüllen oder
2. von denen im Einzelfall angenommen wird oder angenommen wurde, sie würden eines oder mehrere dieser Merkmale erfüllen.» 
 
Für eine rechtswidrige Benachteiligung muss es (analog zum US-amerikanischen ADA - Americans with disabilities act) genügen, dass einer Person die entsprechenden Merkmale zugeschrieben werden. Das muss unabgängig davon gelten, ob diese Zuschreibungen richtig oder falsch sind.


Zulässige Unterscheidungen
Die «sachlichen Gründe», die laut § 319d, Abs. 1, 1. b) eine Benachteiligung rechtfertigen können, sind durch «  zwingende Gründe  » zu ersetzen, da sonst die Gefahr besteht, dass sich eine Benachteiligung zu leicht rechtfertigen lässt.



Beeinträchtigungen der Kommunikation
In allen Vorschriften, die sich mit der Verständigung von hör-, sprach- und sehbehinderten Personen befassen, ist auch der Kreis der Menschen mit Lernschwierigkeiten und so genannten geistigen Behinderungen zu berücksichtigen. Das könnte durch Formulierungen wie «  sowie andere in ihrer Kommunikation beeinträchtigte Personen  »... geschehen. Hierbei sind insbesondere auch die Vorschriften zu beachten, die die Kostenübernahme für entsprechende UnterstützerInnen regeln.



Urheberrecht
Es fehlen Regelungen, die auch blinden und sehbehinderten Menschen einen gleichberechtigten Zugang zu Informationen ermöglichen.



SchöffInnen
Auch die Frage der Benachteiligung behinderter SchöffInnen ist in diesem Gesetz nicht geregelt worden. In der Begründung wird darauf verwiesen, dass die Frage der Zulassung von behinderten Menschen als Richter oder SchöffInnen im Einzelfall zu entscheiden ist. Unabhängig davon plädieren wir für eine Klarstellung, dass behinderte Menschen bei entsprechender fachlicher Qualifikation grundsätzlich für diese Ämter geeignet sind.


Sprache
Generell ist anzumerken, dass das Gesetz nicht durchgängig in einer für Frauen diskriminierungsfreien Sprache verfasst worden ist. Hier bitten wir um entsprechende Nachbesserungen mit neutralen oder paarförmigen Formulierungen.


Fazit

Wir begrüßen und unterstützen den vorgelegten Diskussionsentwurf und bitten um Berücksichtigung der genannten Punkte. Wichtig ist uns die Vorlage eines konkreten Zeitplans, damit wir die Absichten des BMJ an unsere Basis kommunizieren können. Außerdem regen wir an, die ausstehende Befreiung des Sexualstrafrechts von diskriminierenden Regelungen in dieser Legislaturperiode wenigstens zu beginnen.

Berlin, den 18. Februar 2002


Ihr E-Mail-Kontakt zur Geschäftsstelle: HGH@nw3.de
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