30.06.2002 - 21:50:21
Berlin (kobinet) Nur sechs Monate nach seiner
Einweisung in ein Pflegeheim wurde Harald Juhnke in eine Klinik nahe Berlin
eingewiesen. Die Diagnosen lauten Austrocknung und Druckgeschwüre (Dekubiti).
Mit Infusionen wird dem 73jährigen geistig verwirrten Juhnke wieder Flüssigkeit
zugeführt. Ein Freund der Familie gibt an, nicht verstehen zu können wie es zu
diesem Zustand kam. Juhnkes Frau befindet sich derzeit in
Urlaub.
Kommentar von kobinet-Korrespondentin Elke
Bartz
Nun hat es auch einen Prominenten getroffen: Der berühmte
Schauspieler und Entertainer Harald Juhnke vergrößert das Heer «bedauerlicher
Einzelfälle», die als Opfer von Pflegefehlern in den Krankenhäusern landen. Die
«Heilbronner Stimme» schreibt, Austrocknung und Druckstellen seien die
häufigsten «Krankheiten» in Pflegeheimen. Damit wird der Tatbestand von
schlechter Pflege, von Vernachlässigungen und zumindest fahrlässiger
Körperverletzung verniedlicht. Austrocknung und Druckstellen sind keine
unvermeidbaren Krankheiten.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass einige
wenige der äußerst schmerzhaften Druckgeschwüre trotz bester Vorsorge und
menschenwürdigster Pflege nicht vermieden werden können, Austrocknung ist immer
eine Folge von Vernachlässigung. Wenn ein Mensch von sich aus nicht mehr genug
Flüssigkeit zu sich nehmen kann, muss er dabei Unterstützung bekommen, müssen
entsprechende Protokolle über die verabreichten Flüssigkeitsmengen geführt
werden. Wer nicht mehr trinken kann, muss notfalls durch Infusionen Flüssigkeit
zugeführt bekommen. Bemerkt wurden diese Vernachlässigungen übrigens erst, als
Juhnke – vermutlich wegen der Austrocknung – ins Koma fiel.
Für viele
wird es besonders erschütternd sein, dass selbst ein prominenter Mensch, der
auch nach Beendigung seiner Karriere die Medien interessiert, der nicht ohne
Angehörige ist, zum Pflegeopfer wird. Damit ist wieder einmal mehr bewiesen,
dass es nicht nur SozialhilfeempfängerInnen trifft, die kaum noch die
Möglichkeit haben, in ein Heim ihrer Wahl zu ziehen. Hoffentlich regt das
erschütternde Schicksal Juhnkes die Medien an, mehr als üblich von den
hunderttausendfachen Menschenrechtsverletzungen zu berichten, die täglich unter
Deutschlands Dächern meist stillschweigend ignoriert stattfinden.
Und was
ist der Kommentar des Pflegeheimes, in dem Juhnke untergebracht war? Man dürfe
aus Datenschutzgründen keine Auskünfte erteilen! Schön, dass Recht und Gesetz
befolgt werden! Besonders schön, wenn dies auch bei der Pflege und Versorgung
alter, kranker und behinderter Menschen geschieht!
Ein «Fall Juhnke»
bekräftigt, wie jedes andere Schicksal auch, wie wichtig die Kampagne «Faire Assistenz» des
Forums selbstbestimmter Assistenz für Menschen ist, die auf personelle Hilfen
angewiesen sind. Eine faire Assistenz, die menschenwürdige Bedingungen sowohl
für Assistenz Nehmende als auch für Assistenz Gebende ermöglicht, ist die beste
Basis für eine menschenwürdige Pflege und Assistenz.