Einleitung zum Wahlrecht
(Felix Welti)

I. Entwicklung und Einordnung

Das freie, gleiche, allgemeine, unmittelbare und geheime Wahlrecht zum Deutschen Bundestag ist in Art. 38 Abs. 1 GG als eine zentrale Ausprägung des Staatsgrundsatzes der Demokratie (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG; Art. 6 Abs. 1 EUV) garantiert. Für die Länder, Kreise und Gemeinden ist dieses Recht in Art. 28 Abs. 1 GG gewährleistet, diesen Rahmen füllt das Verfassungsrecht der Länder aus. Das Nähere über Wahlen regelt für den Bundestag ein Bundesgesetz (Art. 38 Abs. 3 GG), das Bundeswahlgesetz, für die Landtage, Kreistage, Stadt- und Gemeindevertretungen regeln es Landesgesetze. Für die allgemeine, unmittelbare Wahl zum Europäischen Parlament (Art. 190 EGV) hat der Bund das Europawahlgesetz erlassen. Auf der Grundlage der jeweiligen Wahlgesetze sind genaue Verfahrensregelungen als Verordnungen ergangen (im Bund: Bundeswahlordnung, Europawahlordnung).

II. Wesentlicher Inhalt

Die Wahlgrundsätze bedeuten, dass auch behinderten Menschen das aktive und passive Wahlrecht (Wählen und Wählbarkeit) in gleichem Umfang zukommen muss wie nichtbehinderten Menschen. Eine Ausnahme gilt nur für diejenigen Personen, für die zur Besorgung aller Angelegenheiten ein Betreuer nicht nur durch einstweilige Anordnung bestellt ist; dies gilt auch, wenn der Aufgabenkreis des Betreuers sich nicht auf Post- und Fernmeldeverkehr und auf Sterilisation erstreckt (§ 13 Nr. 2 BWahlG) sowie für diejenigen, die sich auf Grund einer Anordnung nach §§ 63, 20 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus befinden (§ 13 Nr. 3 BWahlG). Diese einfach-rechtlich angeordnete Schranke des Wahlrechts gilt als vereinbar mit der verfassungsmäßigen Ordnung (BVerfGE 19, 93).

Für alle anderen behinderten Menschen steht der Staat in der Pflicht, die Ausübung des Wahlrechts auch tatsächlich zu ermöglichen. Insbesondere im Zuge der Behindertengleichstellungsgesetze sind die Vorschriften vor allem der Wahlordnungen über die Stimmabgabe behinderter Wählerinnen und Wähler neu gefasst worden. Sie umfassen traditionell das Wählen mit einer Hilfsperson (vgl. § 57 Abs. 1-3 BWahlO) und nun auch die Verwendung einer Stimmzettelschablone für blinde und sehbehinderte Wählerinnen und Wähler (§ 57 Abs. 4 BWahlO); letzteres ist in Bayern, Berlin, Hessen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie in Sachsen für Kommunalwahlen noch nicht geregelt. Die für die Herstellung von Stimmzettelschablonen veranlassten notwendigen Auslagen werden den Blindenvereinen z.T. erstattet (vgl. § 50 Abs. 4 BWahlG).

III. Durchsetzbarkeit

Die Verantwortung für die Einhaltung des Wahlrechts liegt bei der jeweiligen Wahlleitung (vgl. für Bundestagswahlen §§ 8, 9 BWahlG). Sie sollte möglichst, insbesondere was den Einsatz der Wahlschablonen betrifft, im Vorwege geklärt werden. Sehen sich behinderte Wählerinnen und Wähler an einer den Wahlrechtsgrundsätzen entsprechenden Wahl gehindert, können sie nachträglich durch Einspruch ein Wahlprüfungsverfahren (im Bund: § 2 WahlPrG) in gang setzen. Zudem ist das verfassungsmäßige Wahlrecht im Bund möglicher Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG).

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