Einleitung zum Erbrecht
(Peter Dietrich)

Zusammen mit dem Eigentum wird auch das Erbrecht in Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistet. Dieses Grundrecht umfasst sowohl das Recht zu vererben als auch das Recht zu erben. Hieraus resultiert die grundsätzlich jedem zustehende Testierfreiheit mit dem Recht, für den Erbfall die Vermögensnachfolge nach seinem Belieben zu regeln. Macht eine Person von ihrem Testierrecht keinen Gebrauch, finden die Regelungen der gesetzlichen Erbfolge Anwendung.

Gesetzliche Erbfolge

Nach dem gesetzlichen Erbrecht geht gemäß § 1922 Abs. 1 BGB beim Tode einer Person deren Vermögen auf eine oder mehrere Personen über. Dieser Vermögensübergang erfolgt kraft Gesetzes und ohne irgendwelche Willenserklärungen der Beteiligten. Damit kommt es auf die Geschäftsfähigkeit weder des Vererbenden (Erblasser) noch des Erben an. So geht der Nachlass einer geschäftsunfähigen Person - z.B. eines Menschen mit schwerer geistiger Behinderung - nach den Regeln des gesetzlichen Erbrechts auf dessen Erben über. Weil somit der Vermögensübergang nicht rechtsgeschäftlich, sondern kraft Gesetzes erfolgt, können auch Minderjährige und Menschen mit geistiger Behinderung uneingeschränkt erben. Gleiches gilt sogar für noch nicht geborene Kinder, denn die Erbfähigkeit einer Person beginnt nicht erst mit der Geburt, sondern bereits unmittelbar nach der Zeugung (§ 1923 BGB).

Gewillkürte Erbfolge

Neben der gesetzlichen Erbfolge, die den Vermögensübergang und deren Verteilung für den Fall regelt, dass der Erblasser keine wirksame Nachlassregelung getroffen hat, kann jede testierfähige Person Mittels einer einseitigen Willenserklärung, einer "Verfügung von Todes wegen", auch "letztwillige Verfügung" genannt, seinen Nachlass nach seinem Belieben regeln und seine Erben und deren Erbanteile bestimmen. Diese den Nachlass regelnden Verfügungen unterliegen gesetzlichen Formvorschriften, deren Nichteinhaltung zur Nichtigkeit der Verfügung führt.

Eine solche Verfügung erfolgt entweder durch Errichtung eines Testaments oder im Wege eines Erbvertrags. Ein Testament lässt sich in der Form eines eigenhändigen Testaments errichten (§ 2247 BGB). Bei dieser Testamentsform muss der gesamte Text vollständig von dem Erblasser handschriftlich niedergeschrieben und, mit Ort und Datum versehen, unterschrieben werden. Ein solches eigenhändiges Testament kann auch als gemeinschaftliches Testament der Ehegatten errichtet werden, wenn es von einem Ehegatten handschriftlich verfasst und von beiden Ehegatten unterschrieben wird (§ 2267 BGB). Ein Testament kann auch als "öffentliches Testament" vor einem Notar errichtet werden (§ 2231 BGB). Hierbei genügt die Abgabe einer schriftlichen oder mündlichen Erklärung, deren Inhalt vom Notar zu beurkunden ist. Eine weitere Gestaltungsmöglichkeit der Nachlassregelung kann auch in Form eines Erbvertrags erfolgen (§ 2274 ff. BGB). Diese Form wird häufig dann gewählt, wenn die Erbeinsetzung mit einer Gegenleistung des Erben verbunden werden soll, wie etwa im Wege der vorweggenommenen Erbfolge durch die Hausübergabe, verbunden mit einem Nutzungsrecht oder einer Leibrente und einem Pflichtteilsverzicht anderer Erben.

Verfügungen von Todes wegen sind frei widerrufbar; die neuere Verfügung hat Vorrang vor einer älteren und ersetzt letztere.

Das "Behindertentestament"

Eine spezielle Gestaltungsmöglichkeit stellt das sogenannte "Behindertentestament" dar. Diese Variante wird häufig von Erblassern mit behinderten Angehörigen (z.B. Eltern von behinderten Kindern) gewählt, um das Erbe vor einem eventuellen Zugriff von Sozialhilfeträgern zu schützen. Behinderte Angehörige, die Leistungen eines Sozialhilfeträgers beziehen, müssen wegen des Nachrangs der Sozialhilfe vorrangig ihr Einkommen und Vermögen zur Deckung ihres Hilfebedarfs verwenden. Angesichts der hohen Sozialhilfeaufwendungen - etwa bei einem Heimaufenthalt - wäre das Erbe in kürzester Zeit verbraucht. Daher bestimmt der Erblasser Mittels testamentarischer Verfügung, dass der behinderte Angehörige lediglich Erbe auf Zeit wird (sog. Vorerbe, § 2100 BGB) in der Regel bis zu seinem Tode, und danach die Erbschaft auf den "eigentlichen" Erben, den sog. Nacherben, übergeht. Damit ist dem behinderten Angehörigen die Verfügung über das Erbe entzogen und ihm stehen nur die Erträge aus dem Erbe zu. Verbunden mit der Anordnung einer Dauertestamentsvollstreckung (§§ 2197, 2216 Abs. 2 BGB) kann der Erblasser dem Testamentsvollstrecker Anweisungen über die Verwendung der Erträge erteilen. Damit gehen Ansprüche des Sozialhilfeträgers ins Leere. Ein solchermaßen gestaltetes Testament ist nicht wegen Vereitelung von Ansprüchen des Sozialhilfeträgers gegen den Hilfeempfänger sittenwidrig und somit voll wirksam (BGH, Urteil vom 20.10.1993, AZ: IV ZR 231/92, und seitdem ständige Rechtsprechung).

Testierfähigkeit

Neben der generellen Testierfreiheit ist die individuelle Testierfähigkeit zu beachten. Als Testierfähigkeit bezeichnet man die Befähigung, ein Testament rechtswirksam zu errichten, zu ändern oder aufzuheben. Abweichend von dem Eintritt der vollen Geschäftsfähigkeit nach Vollendung des 18. Lebensjahres, besteht Testierfähigkeit bereits mit Vollendung des 16. Lebensjahres (§ 2229 Abs. 1 BGB). Testierunfähig sind daher Minderjährige vor Vollendung des 16. Lebensjahres und volljährige Personen, wenn sie wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage sind, die Bedeutung einer von ihnen abgegebenen Willenserklärung zu erfassen (§ 2229 Abs. 4 BGB). Die Testierfähigkeit setzt zwar nicht volle Geschäftsfähigkeit voraus, muss jedoch bei einem Menschen mit geistiger oder seelischer Behinderung danach beurteilt werden, ob er die Bedeutung und die Tragweite einer Verfügung von Todes wegen zumindest in seiner tatsächlichen Wirkung abschätzen kann und ob er frei von Einflussnahme Dritter zur eigenständigen Willensbildung in der Lage ist. Um Erbstreitigkeiten und Testamentsanfechtungen vorzubeugen, dürfte - soweit nicht offenkundig Testierunfähigkeit anzunehmen ist - ein notarielles Testament die geeignetere Form einer letztwilligen Verfügung darstellen, da der Notar bei der Errichtung des Testaments Feststellungen zur Testierfähigkeit zu treffen hat.

Neben einer generellen Testierunfähigkeit regelt das Gesetz die Fälle, in denen zwingend eine bestimmte Form der Testamentserrichtung vorgeschrieben ist. Eine solche Regelung enthält § 2233 Abs. 1 BGB, wonach Minderjährige nach Vollendung des 16. Lebensjahres nur ein notarielles Testament errichten können. Ein eigenhändiges Testament wäre daher unwirksam. Nach § 2233 Abs. 2 BGB gilt Gleiches für leseunkundige Personen, die ebenfalls nur ein notarielles Testament errichten können. Daher können blinde Menschen kein eigenhändiges Testament errichten. Dies gilt selbst dann, wenn sie schreiben können - wie etwa spät erblindete Menschen - oder Mittels technischer Hilfen den von ihnen geschriebenen Text erfassen könnten.

Einschränkung der Testierfreiheit

Die grundgesetzlich verankerte Testierfreiheit gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Sie wird begrenzt durch das gesetzliche Pflichtteilsrecht (§ 2303 BGB). Danach steht einem nach der gesetzlichen Erbfolge Erbberechtigten, der auf Grund einer Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen sein soll, ein Geldanspruch in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils gegen den Erben zu. Eine darüber hinausgehende Entziehung des Pflichtteils ist nur unter den strengen Voraussetzungen des § 2333 BGB zulässig, so etwa wenn der Pflichtteilsberechtigte gegenüber dem Erblasser, dessen Ehegatten oder einem anderen Abkömmling des Erblassers sich einer vorsätzlichen körperlichen Misshandlung schuldig macht oder den vorstehend Genannten nach dem Leben trachtet sowie bei böswilliger Unterhaltsverletzung gegenüber dem Erblasser.

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