Nicht ohne uns!
Behinderte ins Antidiskriminierungsgesetz!
Juristische Bewertung von Diskriminierungsfällen
Vorspruch
Um überhaupt eine rechtliche Bewertung abgeben zu können, war es tunlich, auf bereits vorhandenes Material zurückzugreifen. Obwohl das «Forum behinderter Juristinnen und Juristen» (FbJJ) in seinem ursprünglichen Entwurf eines Gleichstellungsgesetzes für behinderte Menschen auf Bundesebene sich auch mit der Thematik befasst hat, hält es der Autor für sinnvoller, auf den unter dem Namen «Däubler-Gmelin-Entwurf» eines Zivilrechtlichen Antidiskriminierungsgesetzes (ZAG; Stand: 10.12.2001) zurück zu greifen. Zur vereinfachten Handhabung der Falllösungen wird der entsprechende Gesetzestext hier im Vorhinein zitiert, damit jederzeit auf ihn zurückgegriffen werden kann.
Vorschlag für gesetzliche Regelungen
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB):
- § 319a Benachteiligungsverbot
- (1) Niemand darf aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität bei
1. der Begründung, Beendigung und Ausgestaltung von Verträgen, die
a) öffentlich angeboten werden, oder
b) eine Beschäftigung, medizinische Versorgung oder Bildung zum Gegenstand haben, oder
2. dem Zugang zu und der Mitwirkung in Organisationen, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, unmittelbar oder mittelbar benachteiligt oder belästigt werden (Benachteiligungs- und Belästigungsverbot).
(2) Für die Benachteiligung bei dem Zugang zu und der Mitwirkung in Organisationen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber sowie bei der Begründung, der Beendigung oder der Durchführung von Arbeitsverhältnissen gelten die dafür erlassenen besonderen Bestimmungen.
(3) Die Vorschriften dieses Untertitels finden auf das Familien- und das Erbrecht keine Anwendung. Sie stehen der Anwendung von Vorschriften, die einen weitergehenden Schutz gegen Benachteiligungen vorsehen, nicht entgegen. Die Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit und das Strafrecht bleiben unberührt.
- § 319b Begriffsbestimmungen
- (1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person auf Grund eines der in § 319a bezeichneten Merkmale in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.
(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Regelungen, Kriterien oder Verfahren Personen, bei denen eines oder mehrere der in § 319a bezeichneten Merkmale vorliegen, in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Regelungen, Kriterien oder Verfahren dienen einem berechtigten Anliegen, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Anliegens angemessen und erforderlich.
(3) Belästigungen sind Verhaltensweisen, die im Zusammenhang mit einem der in § 319a bezeichneten Merkmale einer Person stehen und bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
(4) Die Anweisung zur Diskriminierung einer Person aus einem der in § 319a Abs. 1 genannten Gründe gilt als Diskriminierung im Sinne des Absatzes 1 oder 2.
- § 319c Beweislastregelung
- Wenn im Streitfall der Betroffene Tatsachen glaubhaft macht, die eine Verletzung des Benachteiligungsverbots durch eine bestimmte Person vermuten lassen, trägt diese Person die Beweislast dafür, dass schon eine Benachteiligung nicht vorliegt oder eine zulässige Unterscheidung gegeben ist.
- § 319d Zulässige Unterscheidungen
- (1) Eine zulässige Unterscheidung liegt vor,
1. bei Verträgen, die eine Beschäftigung zum Gegenstand haben, sowie in den Fällen des § 319a Abs. 1 Nr. 2, wenn
a) das Vorhandensein oder Fehlen eines der in § 319a Abs. 1 bezeichneten Merkmale entscheidende Voraussetzung für die Tätigkeit oder Zugang zu und der Mitwirkung in einer Organisation ist oder
b) die Berücksichtigung des Alters oder einer Behinderung durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist.
2. in den übrigen Fällen, wenn die Berücksichtigung des Geschlechts, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters, oder der sexuellen Identität durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist.
Durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist eine Unterscheidung nur, wenn sie sich auch durch eine zumutbare Anpassung des Vertrages oder seiner Durchführung nicht vermeiden lässt. Satz 2 gilt für den Zugang zu und die Mitwirkung in einer Organisation entsprechend.
(2) Als zulässig im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 gelten auch Altersgrenzen, wenn sie zum Schutz der Betroffenen oder aus beschäftigungspolitischen oder anderen Gründen des Allgemeinwohls vorgesehen sind.
(3) Eine zulässige Unterscheidung liegt in allen Fällen des § 319a Abs. 1 ferner vor, wenn eine unterschiedliche Behandlung zur Wahrung der berechtigten Interessen einer betroffenen Person oder Personengruppe, insbesondere für Maßnahmen zum Abbau von Benachteiligungen, erforderlich ist.
- § 319e Anspruch auf Unterlassung, Folgenbeseitigung und Schadensersatz
- (1) Wer gegen das Benachteiligungsverbot verstößt, kann von dem Betroffenen auf Unterlassung und auf eine benachteiligungsfreie Behandlung (Folgenbeseitigung) in Anspruch genommen werden. Der Abschluss eines Vertrages oder der Zugang zu einer Organisation kann nur beansprucht werden, wenn er ohne den Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot geschlossen oder ermöglicht worden wäre; dies gilt nicht, wenn über den Vertragsgegenstand bereits ein Vertrag mit einem Dritten geschlossen worden ist. Lässt sich die Benachteiligung nicht nach Satz 1 oder in anderer Weise ausgleichen, kann der Betroffenen eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.
(2) Einseitige Rechtsgeschäfte, ausgenommen Auslobungen, die gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen, sind nichtig.
Unterlassungsklagegesetz (UKlaG):
- § 2 Unterlassungsanspruch bei verbraucherschutzwidrigen Praktiken und bei Verstößen gegen das Diskriminierungsverbot
-
(1) Wer in anderer Weise als durch Verwendung oder Empfehlung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen Vorschriften zuwiderhandelt, die dem Schutz der Verbraucher dienen (Verbraucherschutzgesetze), kann im Interesse des Verbraucherschutzes auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Werden die Zuwiderhandlungen in einem geschäftlichen Betrieb von einem Angestellten oder einem Beauftragten begangen, so ist der Unterlassungsanspruch auch gegen den Inhaber des Betriebs begründet.
(2) Verbraucherschutzgesetze im Sinne des Absatzes 1 sind insbesondere
1. die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs , die für Verbrauchsgüterkäufe, Haustürgeschäfte, Fernabsatzverträge, Teilzeit-Wohnrechteverträge, Reiseverträge, Verbraucherdarlehnsverträge sowie für Finanzierungshilfen, Ratenlieferungsverträge und Darlehnsvermittlungsverträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher gelten,
2. - 6. (...)
(3) Ein Unternehmer, der gegen das Benachteiligungsverbot des § 319a des Bürgerlichen Gesetzbuchs verstößt, kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, soweit der Anspruch eine Handlung betrifft, durch die wesentliche Belange der benachteiligten Personengruppen berührt werden.
(4) Der Anspruch auf Unterlassung kann nicht geltend gemacht werden, wenn die Geltendmachung unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.
- § 3 Anspruchsberechtigte Stellen
-
(1) - (2) (...)
(3) Der Anspruch auf Unterlassung nach § 2 Abs. 3 steht auch rechtsfähigen Verbänden zu, zu deren satzungsgemäßen Aufgaben es gehört, durch Aufklärung und Beratung die Interessen von benachteiligten Personengruppen, die Benachteiligungen ausgesetzt sein können wahrzunehmen. Die Verbände müssen in diesem Aufgabenbereich tätig sein und mindestens 75 natürliche Personen als Mitglieder oder Mitgliedsverbände mit einer gleichen Aufgabenstellung und einer entsprechenden Anzahl von Mitgliedern haben und in ihrem satzungsmäßigen Aufgabenbereich berührt sein. Der in Absatz 1 bezeichneten Ansprüche kann nur an Stellen nach Absatz 1 Satz 2 und nach Satz 1 abgetreten werden.
- § 12 Strafvorschrift
- Wer einer vollstreckbaren Anordnung nach § 2 Abs. 3 zuwiderhandelt, die durch Urteil ergeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
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