Ein Kommentar von H.- Günter Heiden - NETZWERK ARTIKEL 3
Wie einfach es gehen kann, die völkerrechtswidrigen Wahlausschlüsse von behinderten Menschen, für die zur Besorgung aller Angelegenheiten eine Betreuung bestellt ist, zu beseitigen, hat jetzt das Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) vorgemacht. In seinem neuen Landesgesetz zur Stärkung der sozialen Inklusion, das am heutigen 1. Juli in Kraft tritt, steht bei der Änderung des Landes- und des Kommunalwahlgesetzes jeweils lapidar: "Nummer 1 wird aufgehoben". In der "Nummer 1" war der bisherige Wahlausschluss festgeschrieben. Damit setzt NRW als erstes Bundesland um, was der UN-Fachausschuss in seinen Abschließenden Bemerkungen zur Staatenprüfung Deutschlands im April 2015 festgehalten hat. Dort heißt es in Ziffer 54: "Der Ausschuss empfiehlt dem Vertragsstaat, alle Gesetze und Vorschriften aufzuheben, durch die Menschen mit Behinderungen das Wahlrecht vorenthalten wird..."
Nun sind die anderen Bundesländer und vor allem der Bund gefordert. Auf Bundesebene wurde schon im ersten Aktionsplan NAP 1.0 im Jahr 2011 eine Studie zum Wahlrecht angekündigt, die ursprünglich bereits im Jahr 2012 vorliegen sollte. Mittlerweile wurde sie auch durchgeführt, aber immer noch nicht veröffentlicht. Im nagelneuen Nationalen Aktionsplan 2.0, der neben dem Entwurf des BTHG ebenfalls am 28. Juni vom Bundeskabinett beschlossen wurde, ist dazu zu lesen: „Nach den bisher vorliegenden Zwischenberichten ist ein erfolgreicher Abschluss der Studie am 31. März 2016 zu erwarten.“ Das war vor drei Monaten, jetzt hört man garnichts mehr, schade! Habe ich da eine Pressemitteilung übersehen oder will der Bund etwa beobachten, ob nach der nächsten NRW-Wahl das Chaos ausbricht?
So wird es dazu kommen, dass bei der nächsten Landtagswahl in NRW am 17. Mai 2017 endlich alle Menschen mit Behinderungen wählen können und das ist gut so! Aber ob dies auch bei der Bundestagswahl wenige Monate später im gleichen Jahr der Fall sein wird, steht leider noch in den Sternen. Dabei ist eine solche Änderung im Gegensatz zu anderen Gesetzesvorhaben mit keinerlei Kostenaufwand verbunden. Gleichzeitig würde die politische Partizipation behinderter Menschen gestärkt. Im Bundeswahlgesetz und im Europawahlgesetz könnte man also auch den Rotstift für eine Streichung in die Hand nehmen. Worauf wartet der Bund eigentlich noch?
Ach, beinahe hätte ich es vergessen: Heute, am 1. Juli tritt auch das neue Behindertengleichstellungsgesetz in Kraft. Mit diesem Artikelgesetz hätte man auch schon die Wahlgesetze auf Bundesebene ändern können…wenn man denn gewollt hätte!