Berlin: Mit einer Schweigeminute bringen behinderte Menschen ihren Ärger und Protest über die geplanten Regelungen im Falle einer Triage vor dem Reichstag zum Ausdruck. Am Nachmittag des 10. November findet die Debatte mit anschließendem Beschluss über die Änderung des Infektionsschutzgesetzes im Plenum des Bundestages statt. Dabei geht es vor allem darum, wie eine Nichtdiskriminierung im Falle von Triage-Situationen sichergestellt werden kann. Die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) und die LIGA Selbstvertretung laden daher zu einer Aktion mit einer Schweigeminute am 10. November von 14:30 – 14:45 Uhr an der Westseite des Reichstags auf dem Rasen in Berlin ein.
Das Vorhaben des Gesetzgebers, im Falle einer Triage-Entscheidung die im direkten Vergleich höchste "aktuelle und kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit“ zugrunde zu legen, beurteilen die erfolgreichen Beschwerdeführer*innen beim Bundesverfassungsgeicht als "Selektionsgesetz“. Nach Einschätzung des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR) bedeute dies im Endeffekt nichts anderes, als die rechtlich vorgeschriebene bewusste Rettung der momentan jeweils Fittesten, also ein gesetzlich vorgesehenes "survival of the fittest“.
"Die Menschenwürde verbietet es jedoch, eine Abstufung oder Bewertung menschlichen Lebens zu legitimieren. Der Grundsatz der Gleichwertigkeit allen menschlichen Lebens – vor dem Hintergrund unserer jüngeren Geschichte eine der grundlegendsten Wertentscheidungen unseres Grundgesetzes – bedeutet: kurzes Leben darf nicht von Gesetzes wegen gegen langes Leben aufgewogen werden, fittes Leben nicht gegen schwaches, und viele Leben nicht gegen wenige. Das Bundesverfassungsgericht hat dies in verschiedenen Kontexten immer wieder hervorgehoben“, heißt es vonseiten des DIMR.
Nach vielen Überzeugungsversuchen verschiedener Akteur*innen lädt die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) und die LIGA Selbstvertretung zu einer Schweigeminute vor der Entscheidung der Abgeordneten ein. Niemand von den Bundestagsabgeordneten soll am Ende sagen können, dass behinderte Menschen diese vor einer solch weitreichenden und viel zu wenig diskutierten Entscheidung nicht gewarnt hätten. Eine breite Diskussion mit einem Abstimmungsverfahren ohne Fraktionszwang wäre bei einer solch tiefgreifenden ethischen Frage angesagt, statt einer 45minütigen Debatte mit anschließender Abstimmung über ein Thema, das die meisten Abgeordneten in ihrer Tiefe nicht kennen.
Link zu Video-Statements zum Triage-Gesetz von vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreichen Beschwerdeführer*innen gegen Diskriminierungen im Falle einer Triage:
Link zu Vorschlägen des Runden Tischs Triage zu alternativen Gesetzesformulierungen: