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Michael Gerr vor Geschäft mit LEGO-RampeWürzburg: Nicht zuletzt die Tatsache, dass Michael Gerr seit 2021 Mitglied im neu gegründeten Diversitätsrat von Bündnis 90/Die Grünen auf Bundesebene ist, macht deutlich, wie wichtig dem Würzburger eine vielfältige Gesellschaft ist. Von 2008 bis 2020 hat er 12 Jahre lang als Stadtrat der Grünen die Stadtpolitik von Würzburg mitgeprägt und dabei auch seine Sichtweise und seine Erfahrungen als Rollstuhlnutzer mit eingebracht. Zuletzt hat er zusammen mit den Aktiven des Vereins Selbstbestimmt Leben Würzburg (WüSL) für die Entwicklung und Anbringung von LEGO-Rampen an Würzburger Geschäften geworben. Dieses eher symbolische Projekt soll nun in eine Initiative für eine umfassende Barrierefreiheit in Würzburg weiterentwickelt werden. Ottmar Miles-Paul vom Projekt Gute Nachrichten zur Inklusion hat Michael Gerr in Würzburg besucht und mit ihm über sein Wirken und seine Pläne gesprochen.

Aufgrund seiner eigenen Erfahrungen als behinderter Mensch, aber auch vor allem aus der Beratungstätigkeit des Vereins Selbstbestimmt Leben Würzburg (WüSL) weiß Michael Gerr, wo der Schuh bei vielen behinderten Menschen drückt. Aus der ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) von WüSL, die er mit aufgebaut hat und seit Mai 2018 leitet, bekommt Michael Gerr immer wieder wichtige Impulse, was alles noch getan werden muss, damit behinderte Menschen gleichberechtigt und selbstbestimmt in der Region leben und teilhaben können. Sei es der Mangel an barrierefreien Wohnungen bzw. entsprechender Unterstützungen für ein selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen, die Benachteiligungen behinderter Menschen im Arbeitsleben oder ganz praktisch die vielen Barrieren, die es auch in Würzburg noch gibt - zu tun gibt es noch genug. Deshalb hat WüSL auch das Projekt LEGO-Rampen in Würzburg gestartet.
 
"Wir bauen Rampen aus Legosteinen. Diese Rampen sollen an Eingängen (Läden, Cafés ...) in Würzburgs Innenstadt aufgestellt werden, die eine Schwelle oder Stufe im Eingangsbereich haben“, heißt es auf der Internetseite von WüSL zu dem Projekt, das ein großes Medienecho ausgelöst und über das sogar das ARD-Morgenmagazin berichtet hatte. "Wir haben nach diesen Berichten eine große Resonanz und LEGO-Steine aus verschiedenen Teilen Deutschlands bekommen. Mittlerweile haben wir auch das Ziel der zehn Rampen erreicht, das wir angestrebt hatten“, berichtet Michael Gerr.
 
Da das Kernziel des Projektes hauptsächlich in der generellen Bewusstseinsbildung in Sachen Barrierefreiheit und nicht darin bestand, alle Orte mit LEGO-Rampen auszustatten, weil diese nicht 100%ig barrierefrei sind, (und) die Rampen auch ihre Grenzen bei einer Reihe von Gebäuden haben und als Dauerlösung ungeeignet sind, strebt Michael Gerr nun an, in Würzburg eine Initiative für Barrierefreiheit als Standard zu starten. Die neue Projektgruppe baSta - barrierefreie Stadt wird am 5. Mai mit einer Protestaktion auf der Würzburger Alten Mainbrücke aufschlagen.
 
Während seiner 12jährigen ehrenamtlichen Tätigkeit als Stadtrat in Würzburg konnte Michael Gerr schon eine Reihe von Akzenten setzen, um die Behindertenpolitik in Würzburg auf die Tagesordnung zu setzen und entsprechende Strukturen aufzubauen. Die Entwicklung und Begleitung eines Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention durch die Stadtverwaltung von Würzburg war Michael Gerr dabei besonders wichtig. Nicht nur die Orientierung der Kommunalpolitik an der Menschenrechtskonvention der Vereinten Nationen für behinderte Menschen, sondern auch die Entwicklung und Umsetzung von konkreten Maßnahmen in sämtlichen Politikfeldern sind für Michael Gerr das Gebot der Stunde.
 
Und hier reiht sich auch das Thema Barrierefreiheit ein. Im öffentlichen Nahverkehr wurde in den letzten Jahren in Würzburg schon einiges in Sachen Barrierefreiheit erreicht, auch wenn es da noch viel zu tun gibt. Vor allem der barrierefreie Zugang zu Gebäuden muss nun nach Ansicht von Michael Gerr verbessert werden. Daher hat er sich auch in seiner langjährigen Tätigkeit als Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Behindertenpolitik der Grünen stets für diese Themen stark gemacht. Dass nun im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP auf Bundesebene folgender Satz steht, betrachtet er als wichtigen Erfolg: "Wir verpflichten in dieser Wahlperiode private Anbieter von Gütern und Dienstleistungen, innerhalb einer angemessenen Übergangsfrist zum Abbau von Barrieren oder, sofern dies nicht möglich oder zumutbar ist, zum Ergreifen angemessener Vorkehrungen.“ Dass dieses Ziel schnell erreicht wird, dafür setzt sich Michael Gerr ein.
 
Wichtig ist Michael Gerr aber auch, dass er seine Erfahrungen, die er bei seinem politischen Engagement machen durfte, nun auch an andere engagierte Menschen weitergeben kann. Deshalb setzt er sich nicht nur im Diversitätsrat der Grünen, sondern auch mit dem Bildungs- und Forschungsinstitut zum selbstbestimmten Leben Behinderter (bifos) für gezielte Empowermentschulungen ein. Denn auch politisches Engagement will gelernt sein, bzw. braucht viel know how und entsprechendes Selbstbewusstsein. Und darüber freut sich Michael Gerr besonders: "Es gibt derzeit eine ganze Reihe von behinderten Menschen, die sich in die Politik einmischen und diese auch in den entsprechenden Gremien und in den Parlamenten aktiv mitgestalten wollen. Diese zu unterstützen, ist mir ein besonderes Anliegen.“