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Bild von der Ohrenkuss-PressekonferenzBonn: Bei der Ohrenkuss-Redaktion gab es heute am 21. März nicht nur wegen des Welt-Down-Syndrom Tages einiges zu feiern. Denn seit 25 Jahren gibt es nun das Magazin von Menschen mit Down Syndrom. Was 1998 als Forschungsprojekt mit vier Ausgaben begann, gehört mittlerweile zur Medienlandschaft. 50 Ausgaben des Ohrenkuss wurden mittlerweile veröffentlicht. Während der Online-Pressekonferenz der Ohrenkuss-Redaktion zu diesem Jubiläum machten die Redaktionsmitglieder deutlich, dass sie es heute noch krachen lassen und auf ganz unterschiedliche Art und Weise feiern. Generell wird bei der Ohrenkuss-Redaktion keine Gelegenheit ausgelassen, sich und das Leben zu feiern, wie Ottmar Miles-Paul vom von der Aktion Mensch geförderten Projekt "Gute Nachrichten zur Inklusion" bei der Pressekonferenz erfuhr.

Den Geist der Arbeit der Ohrenkuss-Redaktion beschreibt die Aufschrift auf dem T-Shirt, das Natalie Dedreux für die Pressekonferenz ausgewählt hatte. „equality“, was Gleichheit bedeutet, stand leuchtend weiß auf dem dunklen T-Shirt. Und genau diese Gleichheit ist der Redaktion wichtig. Jede*r, der oder die bei der Pressekonferenz etwas sagen wollte, kam zu Wort und die Vielfalt spiegelt sich auch in der Ohrenkuss-Redaktion wieder. In der Vorstellungsrunde meldete sich beispielsweise der ukrainische Redaktionskollege zu Wort, für den über eine App gedolmetscht wurde. Er war getreu dem Brauch am Welt-Down-Syndrom Tag mit zwei unterschiedlichen Socken – einem blauen und einem lilanen – zur Pressekonferenz gekommen. „Freiheit für die Ukraine“, so seine zentrale Botschaft.

Dass 25 Jahre für den Bestand einer Redaktion eine lange Zeit ist, das wurde daran verdeutlicht, dass Natalie Dedreux, die seit 2016 in der Redaktion mitarbeitet, so alt wie der Ohrenkuss ist. Auf die Frage, wie der Ohrenkuss entstanden ist, erzählte Katja de Bragança, dass sie in den 90er Jahren in der Humanmedizin gearbeitet hat. Viele Eltern von Kindern mit Down Syndrom hätten ihr damals berichtet, dass Kinderärzte gesagt haben, dass ihr Kind niemals lesen oder schreiben lernen wird. „Ich kannte das anders und habe mich gefragt, was muss man tun, damit die Kolleg*innen etwas anderes in Beratungssituationen erzählen. So entstand die Idee, eine coole Zeitung zu machen, in der Menschen mit Down Syndrom selbst schreiben. Denn was gedruckt ist, das wird meist auch geglaubt. So ist der erster Ohrenkuss zum Thema Liebe 1998 erschienen“, berichtet das Gründungsmitglied. Danach wurden die Themenhefte „Essen“ und „Glück“ veröffentlicht.

Anfangs war das Magazin Ohrenkuss Ergebnis eines Forschungsprojektes an der Bonner Universität, das u.a. von der Aktion Mensch gefördert wurde. Damit konnten vier Ausgaben finanziert werden, um zu beweisen, dass die Redaktions-Kolleg*innen mit Down Syndrom sehr wohl lesen und schreiben lernen können. Als das Forschungsprojekt nach vier Ausgaben endete, sagte ein Redaktionsmitglied: „eine Zeitung mit vier Ausgaben ist ja wohl nichts.“ Die Maßgabe, auf die man sich dann in der Redaktion geeinigt hat, war: „Wenn wir in einem Jahr 1.000 Abonnent*innen haben, dann machen wir weiter, denn wir wollen ohne Werbung und unabhängig arbeiten.“ Dieses Ziel wurde nicht nur erreicht, sondern auch übertroffen.

Und so gibt es heute 25 Jahren nach Gründung des Ohrenkuss-Magazins viel zu feiern. Danach gefragt, wie genau gefeiert wird, gab es ganz verschiedene Antworten. „Na klar wird gefeiert, wir sind ja besondere Mensschen.“ „Mit Apfelsaft und Würstchen“. „Mit einer Freundin, die auch das Down Syndrom hat, werde ich den Abend schön ausklingen lassen und wir lassen es heute Abend krachen.“ oder „Mit einem Bier mit meinen Kolleg*innen“, waren einige der Antworten, wie der Abend und das 25jährige Jubiläum begangen wird.

Bereits während des Tages hatte hr-iNFO zum Welt-Down-Syndrom Tag berichtet und mit Natalie Dedreux und Katja de Bragança Interviews geführt. Der Radiosender habe sich selbst gemeldet, weil die Ohrenkuss-Redaktion mittlerweile bekannt ist und Natalie Dedreux vor kurzem ein Buch mit dem Titel „Mein Leben ist doch cool“ veröffentlicht hat. Klar war, dass Katja de Bragança das Interview als Person ohne Down Syndeom nicht allein geben wird, sondern nur zusammen mit einer betroffenen Person. „Jemand vom Radio hat angerufen und ich habe klar gesagt, ‚Sie können mich nicht allein interviewen'“, erläutert Katja de Bragança.

Dass es noch weitere Theman gibt, über die die Redaktionsmitglieder zukünftig berichten wollen, wurde bei der Pressekonferenz deutlich: „Gleichberechtigung und dass wir fair bezahlt werden“, „Politik“, „viele Leute haben das Heft Baby bestellt. Deswegen wollen wir noch mal ein neues Heft zu dem Thema machen“, so einige Antworten.

Zur Frage, ob es manchmal Streit in der Redaktion gibt, wurde erklärt, dass einige etwas früher zur Redaktionssitzung kommen, so dass in der Zeit die persönlichen Sachen besprochen werden können. In der Redaktionssitzung wird dann professionell zusammengearbeitet und private Streitereien bleiben draußen.

In der Redaktion wird aber nicht nur geschrieben, die Redaktionsmitglieder nehmen auch immer wieder an Veranstaltungen, wie beispielsweise beim Sommerblut Kulturfestival teil. Dieses Jahr steht dort das Thema Monster an. Aber auch so manche Reise hat die Redaktion schon unternommen, um zu recherchieren und Spaß zu haben. Assistenz ist wichtig. Genauso wichtig ist aber auch, dass die Redaktionsmitglieder selbst entscheiden, ob und wann sie Assistenz nutzen wollen. Die Texte werden nicht verändert und so veröffentlicht, wie dies die Redakteur*innen mit Down Syndrom wollen. Und Geld gibt es auch, für die Assistenz und für die Beiträge, die geschrieben werden.

Wie der Namen Ohrenkuss für das Magazin entstanden ist, wird anschaulich auf der Internetseite beschrieben: „Den Namen Ohrenkuss …da rein, da raus hat Gründungs-Mitglied Michael Häger erfunden. Das Team hat sich zu einer der ersten Redaktions-Sitzungen in einer Eisdiele getroffen. Die Sonne schien, das Team hatte eine gute Zeit zusammen und einen großen Eisbecher vor sich stehen. Grund genug, um vor lauter Glück Chef-Redakteurin Katja de Bragança aufs Ohr zu küssen. Alle riefen sofort: Ohrenkuss, Ohrenkuss! – und der Name war geboren.“ Die Erklärung zum Namen liefert das Team direkt noch hinterher: „Man hört und sieht ganz vieles. Das meiste davon geht zum einen Ohr hinein und sofort zum anderen Ohr wieder hinaus. Aber manches ist auch wichtig und bleibt im Kopf – das ist dann ein Ohrenkuss.“

Link zur Internetseite von Ohrenkuss

Wer mehr über Ohrenkuss erfahren möchte, kann sich auf der Website informieren. Wer regelmäßig einen Ipeschl (so heißt der Ohrenkuss-Newsletter) haben möchte, kann sich hier anmelden: https://ohrenkuss.de