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Logo: Assistenzgenossenschaft BremenBremen: "Wenn Sie mehr als nur 'satt und sauber' sein wollen, Ihren Alltag nach Ihren Wünschen und Vorstellungen - mit Unterstützung von Assistenz - organisieren und gestalten möchten, sowie die unterschiedlichen Mitbestimmungsmöglichkeiten einer Genossenschaft für sich nutzen wollen, dann sind Sie bei uns genau richtig!" So heißt es auf der Startseite der Assistenzgenossenschaft Bremen. Ottmar Miles-Paul vom Projekt Gute Nachrichten zur Inklusion des NETZWERK ARTIKEL 3 hat die in der Bremer Innenstadt angesiedelte Assistenzgenossenschaft besucht und ist beeindruckt von dem, was hier seit der Gründung der Genossenschaft im Oktober 1990 erreicht wurde. Dass die Assistenzgenossenschft Bremen heute mit Abstand der größte Anbieter Persönlicher Assistenz in Bremen und einer der größten Arbeitgeber im Bremer Sozialbereich ihre Grundsätze weitgehend wahren und über 70 behinderten Menschen Persönliche Assistenz zum selbstbestimmten Leben bietet, das ist für das NETZWERK ARTIKEL 3 eine gute Nachricht zur Inklusion. 

Diejenigen, die ein Stück Geschichte der Behindertenbewegung erleben und nachvollziehen wollen, sind in Bremen und vor allem auch bei der dortigen Assistenzgenossenschaft gut aufgehoben. Denn dort ist immer noch Horst Frehe prägend aktiv, der schon an der Gründung der Assistenzgenossenschaft maßgeblich mitgearbeitet hat. In den 1980er Jahren war in Bremen die Idee entstanden, eine Beratungsstelle aufzubauen, in der behinderte Menschen andere behinderte Menschen solidarisch beraten und in ihrer Selbstbestimmung stärken und unterstützen. Als Ergebnis vieler Diskussionen wurde im November 1986 die Beratungsstelle Selbstbestimmt Leben eröffnet, bundesweit die erste ihrer Art, wie es zur Geschichte der Assistenzgenossenschaft Bremen heißt.

Und weiter wird die Entwicklung auf der Internetseite der Assistenzgenossenschaft so beschrieben: "Durch die Beratungsarbeit wurde schnell klar, dass in Bremen eine selbstbestimmte Lebensführung für Menschen, die im Alltag auf Hilfen - wie Grundpflege, Hilfen im Haushalt und Mobilitätshilfen - angewiesen waren, kaum möglich war. Die Träger, die solche Hilfen anboten, waren weniger an der Selbstbestimmung behinderter Menschen als am reibungslosen Ablauf und optimalen Einsatz ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter interessiert. Die Machtstrukturen waren hier ähnlich aufgebaut, wie in stationären Einrichtungen."

Bei ca. 400 Beschäftigten, die über 240.000 Assistenzstunden pro Jahr für die Genoss*innen erbringen und koordinieren, treten im Alltag natürlich immer wieder Herausforderungen auf. Es ist in den letzten Jahren nicht leichter geworden, gute Assistenzkräfte zu finden und die Bewilligungszeiten für die notwendige Assistenz sind zuweilen recht lang und bringen die verschiedenen Akteur*innen an den Rand der Leistbarkeit: zum Teil mit hohem Risiko, ob die Hilfen auch bewilligt werden. Daran hängen die Bedarfsermittlungen, die für die Betroffenen nicht einfach sind, so dass selbst erfahrene Häsinnen und Hasen, die auf Assistenz angewiesen sind, vor solchen Gesprächen schlaflose Nächte haben. Hier mache sich zuweilen echte Existenzangst der Betroffenen breit, wie die Mitarbeitenden der Assistenzgenossenschaft zu berichten wissen. Deshalb sei es zum Beispiel unbedingt nötig, dass die Bewilligungsbescheide für einen längeren Zeitraum bewilligt werden.

Im Laufe der Zeit sind viele der Genoss*innen der Assistenzgenossenschaft älter geworden, so dass sich daraus resultierend zum Teil weitere Bedarfe ergeben. Deshalb ist es für die Assistenzgenossenschaft immer wieder wichtig, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen und auf neue Entwicklungen zu reagieren. Schulassistenz wird beispielsweise zunehmend ein Thema in der Assistenzgenossenschaft.

Eine Initiative, die Horst Frehe mit den Erfahrungen und dem know how der Bremer Assistenzgenossenschaft im Rücken zusammen mit anderen bundesweit Aktiven derzeit vorantreibt, ist die Gründung einer bundesweit arbeitenden Budgetgenossenschaft. Denn viele behinderte Menschen, die bereits ein Persönliches Budget nutzen oder ein solches zur Verbesserung ihrer Selbstbestimmung nutzen wollen, sind mit den Herausforderungen der Antragstellung, Personalsuche und Abrechnung oft alleingelassen. Hier will die Budgetgenossenschaft Unterstützung anbieten, aber auch Lobbyarbeit für die Interessen von Budgetnutzer*innen leisten. Angesichts der Hürden, die so manche Kostenträger den Betroffenen, die ihre Assistenz selbst organisieren und selbstbestimmter leben wollen, in den Weg stellen, tut eine gute Interessenvertretung Not. Deshalb wird diese Initiative für eine Budgetgenossenschaft auch von der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) unterstützt.

Trotz so mancher Herausforderungen, die die Assistenzgenossenschaft auch heute noch zu bewältigen hat, sind den Bremer*innen noch nicht die Ideen und der Elan verlorengegangen, auch weiterhin für die Selbstbestimmung behinderter Menschen und gute von den Betroffenen weitgehend selbst kontrollierte Assistenzleistungen zu streiten. Das Genossenschaftsmodell hat sich hier also über die Jahre bewährt, auch wenn es in Bremen, wie in anderen Städten auch, nicht immer einfach ist, behinderte Menschen zu finden, die Verantwortung für die Organisation übernehmen.

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