"Gute Nachrichten zur Inklusion", so lautet der Titel eines Projektes des NETZWERK ARTIKEL 3, das von der Aktion Mensch gefördert wird. Doch was sind gute Nachrichten zur Inklusion? Dieser Frage wollen wir im Rahmen des Projektes neben der Veröffentlichung der guten Nachrichten nachgehen. Dazu befragen wir verschiedene Akteur*innen, was für sie gute Nachrichten zur Inklusion sind:
Gute Nachrichten zur Inklusion sind für mich, wenn behinderte Menschen in dieser Gesellschaft sichtbarer werden können und auf sich aufmerksam machen, egal auf welche konstruktive Art und Weise: ob sie sich in den (sozialen) Medien zeigen; sich bei Wahlen engagieren; auf Demos und Veranstaltungen gehen, um sich einzumischen. Nur wenn wir sichtbar werden und uns nicht abschütteln lassen, können wir die Inklusion vorantreiben, Sonderwelten abbauen, unsere Rechte mehr und mehr durchsetzen und uns somit gegen Diskriminierung durch fehlende Barrierefreiheit im Alltag wehren.
Alexander Ahrens arbeitet seit 2017 für die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL)
Gute Nachrichten zur Inklusion sind für mich Berichte über behinderte Menschen, die sich öffentlichkeitswirksam gegen Diskriminierungen wehren. Dadurch wird das Bewusstsein dafür geschärft, was zur tatsächlichen Inklusion noch nötig ist. Außerdem zeigen solche Berichte, dass immer mehr behinderte Menschen die gleichberechtigte Partizipation einfordern und nicht mehr dankbar und lieb sind. Das gibt mir Hoffnung.
Dr. Sigrid Arnade, Behindertenaktivistin seit über 35 Jahren und Vorsitzende des Sprecher*innenrats des Deutschen Behindertenrats im Jahr 2023
Gute Nachrichten zur Inklusion sind für mich Forschungsprojekte, die partizipativ, aus der Perspektive der Disability Studies und menschenrechtsbasiert durchgeführt werden. D.h. Forschungsprojekte, in denen behinderte Wissenschaftler*innen und behinderte Co-Forscher*innen aus ihrer Sicht forschen, und die Begriffe Teilhabe und Inklusion nicht für Sondereinrichtungen verwendet werden.
Prof. Dr. Theresia Degener, Professorin für Recht und Disabilities Studies und Leiterin des Bochumer Zentrum für Disability Studies (BODYS)
Gute Nachrichten zur Inklusion sind für mich, wenn Inklusion nicht zur Worthülse verkommt, sondern sich ernsthaft an den Gewährleistungsgehalten der UN-Behindertenrechtskonvention orientiert. Dazu gehört die Abkehr von der Institutionenzentrierung und die Entwicklung von Wohnangeboten in den Quartieren, die allen Menschen, unabhängig von der Art und Schwere der Behinderung, offenstehen. Ich freue mich über jeden abgebauten Platz in einer besonderen Wohnform und jedes personenzentrierte Angebot in der Nachbarschaft. Wir brauchen in ganz Deutschland endlich feste Zielquoten für den Rückbau besonderer Wohnformen. Nur dann kann man gleichberechtigt entscheiden, wo man leben will.
Arne Frankenstein, Landesbehindertenbeauftragter in Bremen
Gute Nachrichten zur Inklusion sind für mich, wenn die Nachrichten in Leichter Sprache sind. Wenn Menschen mit Lern-Schwierigkeiten die Texte geprüft haben. Und sagen: Das ist Leichte Sprache.
Stefan Göthling von Mensch Zuerst
Gute Nachrichten zur Inklusion sind für mich diejenigen, in denen um mich als Kunde geworben wird und Menschen mit Behinderungen als "Standard" vorgesehen sind. Bei jeder Dienstleistung, bei der spezielle Plätze, Hilfsmittel oder Hilfen automatisiert angegeben werden können, ohne sich als Bittsteller fühlen zu müssen, geben mir ein Gefühl von Souveränität als Marktteilnehmer. Deshalb feiere ich jede Initiative und kleinste Gesetzesänderung, die Unternehmen und Behörden zu inklusiven Produkten und Dienstleistungen verpflichten und nicht nur fördern.
Constantin Grosch, Aktivist und Politiker
Gute Nachrichten zur Inklusion sind für mich alle Nachrichten, in denen Behindertenpolitik unter einer Menschenrechtsperspektive dargestellt wird. Beispielsweise wenn die exkludierenden Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) durch die kommende Bundesregierung schrittweise in einen inklusiven Arbeitsmarkt umgewandelt werden.
H.-Günter Heiden, Publizist
Gute Nachrichten zur Inklusion sind für mich, wenn Unterschiedlichkeiten von Menschen bei der Gestaltung von Angeboten/Dienstleistungen/gesellschaftlichen Bereichen ganz selbstverständlich mitgedacht und beachtet werden. Nur so kann eine gleichberechtigte Teilhabe von behinderten Menschen auf Dauer funktionieren.
Prof. Dr. Gisela Hermes
Gute Nachrichten zur Inklusion sind für mich Ideengeber, was möglich ist, und Ansporn, selbst etwas dafür zu tun
Susanne Göbel, Persönliche Zukunftsplanerin und Unterstützerin für Menschen mit Lernschwierigkeiten
Gute Nachrichten zur Inklusion sind für mich, dass Aktivist*innen zunehmend zugehört wird, wenn sie Verhältnisse rund um vorenthaltene Menschenrechte für Menschen mit Behinderung kritisieren. Insgesamt nehmen nach meiner Beobachtung Ignoranz und Desinteresse ab. Die Leute reden mehr über Inklusion - die Ergebnisse sind aber noch mehr als mager, dennoch es bewegt sich etwas, und zwar nach vorn. Das spüren wir auch bei JOBinklusive.org: Da erreichen wir gemeinsam mit vielen verschiedenen Akteur*innen, dass mehr Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Chance bekommen.
Raul Krauthausen von den Sozialhelden und Aktivist
Gute Nachrichten zur Inklusion sind für mich, wenn bisher übliche aussondernde Verhaltensweisen geändert werden, ohne das damit auch gleich ein Perfektionsanspurch vermittelt wird.
Martin Ladstätter, Obmann von BIZEPS, dem Zentrum für Selbstbestimmtes Leben in Wien
Gute Nachrichten zur Inklusion sind für mich wenn zunehmend Menschen ohne Behinderung erkennen, dass mangelnde Barrierefreiheit keine Frage von Behinderung ist. Und wenn sie verstehen, wie Menschen mit Behinderung strukturell diskriminiert werden, etwa weil ihnen der Zugang zum Recht verwehrt oder erschwert wird.
Christina Marx, Aktion Mensch
Gute Nachrichten zur Inklusion sind für mich Berichte, die zeigen, dass ein selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen möglich ist.
Ottmar Miles-Paul - Koordinator des Projektes "Gute Nachrichten für Inklusion
Gute Nachrichten zur Inklusion sind für mich, wenn sich alle Menschen mit ihren Fähigkeiten in die Gesellschaft einbringen können. Sie bekommen für gleichberechtigte Teilhabe die passende Unterstützung zur Verfügung gestellt, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen. Erst dann ist die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland umgesetzt.
Dr. Leander Palleit, Leiter der Monitoring-Stelle UN-BRK am Deutschen Institut für Menschenrechte
Gute Nachrichten zur Inklusion sind für mich, wenn die Leitgedanken der UN-Behindertenrechtskonvention richtig verstanden, ernst genommen und in Berichten oder Projekten nicht nur als Etikett benutzt werden: Inklusion, wo auch wirklich Inklusion drin steckt; oder Selbstbestimmung, die nicht fremdbestimmt sein darf.
Wiebke Schär, seit über 10 Jahren bei der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) aktiv
Gute Nachrichten zur Inklusion sind für mich, wenn zuallererst der Mensch gesehen wird und nicht seine Behinderung. Dazu muss die ganze Gesellschaft barrierefrei und inklusiv ausgestaltet werden, wie es die UN-Behindertenrechtskonvention vorgibt.
Dr. Britta Schlegel, Leiterin der Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte
Gute Nachrichten zur Inklusion sind für mich Begegnungen ohne "Klassendenken", wenn "anders" weder "besser" noch "schlechter" macht.
Marleen Soetandi, Assistenznutzerin und Gestalterin des Logos für das Projekt Gute Nachrichten zur Inklusion
Gute Nachrichten zur Inklusion heißt für mich, behinderte Menschen und deren Belange auch in den Medienlandschaften sichtbar zu machen. Seit 13 Jahren darf ich mich als blinde Interviewerin und Kolumnistin in die Sendung "Selbstbestimmt!" einbringen. Blinde Menschen können also durchaus zu "Sehgewohnheiten" werden, auch im journalistischen Bereich, und ich wünsche mir noch zahlreiche Nachmacher*innen im deutschen Fernsehen!
Jennifer Sonntag, TV Moderatorin und Autorin -www.Jennifer-Sonntag.de
Die besten guten Nachrichten zur Inklusion entstehen für mich, wenn Menschen erkennen, dass Inklusion keine Herausforderung, keine Last und keine Zumutung ist, sondern einfach eine schöne Selbstverständlichkeit.
Eva-Maria Thoms vom Kölner Verein mittendrin